Mehr als 220.000 Menschen verloren ihr Leben bei dem verheerenden Erdbeben vom 12. Januar 2010 in Haiti. Auch 15 Jahre später sind die Kinder des Karibikstaates weiterhin mit den Folgen der Katastrophe konfrontiert. Das Erdbeben der Stärke 7,0 zerstörte weite Teile der Infrastruktur und ließ 1,5 Millionen Menschen obdachlos werden. Trotz Wiederaufbaumaßnahmen erschwerten die anhaltenden Kämpfe zwischen bewaffneten Banden den Fortschritt.
Chantal Sylvie Imbeault, die Länderdirektorin von Save the Children in Haiti, erklärte, dass für viele Kinder in Haiti das Leben eine ständige Folge von Krisen sei. Hurrikane, Erdbeben und Gewalt hätten viele Familien im Verlauf der vergangenen 15 Jahre mehrfach vertreiben müssen. Die bewaffneten Banden hätten die Hauptstadt Port-au-Prince in eine Art Freiluftgefängnis für Kinder verwandelt, in dem es keinen sicheren Ort mehr gebe. Viele Kinder könnten nicht zur Schule gehen, draußen spielen oder ihr Viertel verlassen. Ihr Blick auf die Zukunft sei durch diese Umstände stark getrübt.
Im vergangenen Jahr flüchteten aufgrund der Gewalt mehr als 700.000 Menschen vor bewaffneten Gruppen. Schätzungsweise 1.000 Schulen mussten geschlossen werden, teilweise weil sie als Notunterkünfte dienten. Die anhaltende Gewalt erschwert die Bereitstellung humanitärer Hilfe erheblich. Zugleich steigen die Preise, was zu Hunger und Mangelernährung führt. Verzweifelte Kinder schließen sich zunehmend bewaffneten Banden an, in der Hoffnung auf Nahrung und Schutz.
Chantal Sylvie Imbeault wies darauf hin, dass viele Mitglieder der heutigen Banden 2010 selbst noch Kinder waren. Ihr Leben sei durch das Erdbeben zerstört worden, und nun raubten sie der nächsten Generation ihre Zukunft. Für viele Kinder in Haiti sei Bildung die einzige Hoffnung. Sie appellierte an die Weltgemeinschaft, dringend zu handeln, damit diese Kinder wieder zur Schule gehen können und nicht die gleiche düstere Geschichte wiederholt werde.
Die 17-jährige Cassandra, die nach dem Erdbeben 2010 verspätet eingeschult wurde, lebt heute in einer überfüllten Notunterkunft, in die sie mit ihrer Mutter vor der Gewalt geflüchtet ist. Sie berichtete, dass sie eigentlich ihren Abschluss machen müsste, jedoch aufgrund des Erdbebens und der fortwährenden Gewalt bereits zwei Schuljahre verloren habe. Diese Verzögerung belaste sie sehr, und sie wisse nicht, wann sie wieder zur Schule gehen könne.
Cassandra leidet unter ständiger Angst. Sie versucht sich durch Häkeln abzulenken, doch die Bedrohung ist allgegenwärtig. Sie fühlte sich nicht sicher und erzählte, dass die Banden immer näher rücken. Jeden Tag höre man die Schüsse, und sie habe das Gefühl, dass bald etwas in dem Camp passieren werde. Sie und 35 andere Menschen teilen sich einen Klassenraum als Schlafraum. Ein wenig mehr Platz könnte helfen, die schwierige Situation besser zu bewältigen, aber in diesem Camp sei es nahezu unmöglich, das Geschehen zu verarbeiten.
Save the Children ist seit 1978 in Haiti aktiv und führt Projekte in städtischen sowie ländlichen Gebieten durch. Die Kinderrechtsorganisation fordert einen ungehinderten Zugang zu den bedürftigen Menschen und eine Erhöhung der internationalen Hilfsgelder für Haiti.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung von Save the Children Deutschland e.V./ Veröffentlicht am 08.01.2025