Im Jahr 2024 bleibt die Zahl unbeabsichtigter Schwangerschaften weiterhin hoch, denn jede zweite Schwangerschaft ist nicht geplant. Weltweit haben über 200 Millionen Frauen einen unbefriedigten Bedarf an Verhütungsmitteln. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) können 77 Prozent der Frauen ihren Bedarf an modernen Verhütungsmitteln decken, während dieser Anteil in Afrika südlich der Sahara nur 58 Prozent beträgt. Jan Kreutzberg, Geschäftsführer der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung (DSW), erklärte anlässlich des Weltverhütungstags, dass die Situation für viele heranwachsende Mädchen in dieser Region besorgniserregend sei. Jedes zehnte Mädchen wird dort vor dem 18. Lebensjahr Mutter, was die Zukunftsperspektiven der jungen Frauen stark einschränkt und erhebliche gesundheitliche Risiken mit sich bringt. Komplikationen während Schwangerschaft und Geburt zählen weltweit zu den häufigsten Todesursachen bei Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren.
Die Ursachen für die geringe Nutzung von Verhütungsmitteln sind vielfältig. Oftmals mangelt es in ländlichen Gebieten an den nötigen Gesundheitsdiensten, und Produkte sind wegen Lieferengpässen nicht verfügbar. Auch die Kosten spielen eine entscheidende Rolle, da viele Menschen sich die Mittel nicht leisten können. Religiöse und kulturelle Bedenken sowie Mythen, wie die Vorstellung von Unfruchtbarkeit durch längeren Gebrauch hormoneller Verhütungsmittel, tragen ebenfalls zur Problematik bei. Zudem führen Nebenwirkungen wie Zwischenblutungen, unzureichende Vor- und Nachsorge durch das Gesundheitspersonal und der eingeschränkte Zugang für minderjährige Frauen zu einem hohen unbefriedigten Bedarf.
Kreutzberg wies auch darauf hin, dass Studien zeigen, dass es auch bei Männern einen erheblichen Bedarf an Verhütungsmethoden gibt, der derzeit nicht ausreichend abgedeckt ist. Er betonte, dass die Forschung an innovativen Verhütungsmitteln für Erstnutzer von großer Bedeutung sei. Um die Nebenwirkungen für diese Gruppe zu minimieren, sollte der Fokus auf hormonfreien oder zumindest minimal dosierten östrogenhaltigen Verhütungsmitteln liegen. Die Benutzerfreundlichkeit müsse ebenfalls verbessert werden, insbesondere in unterschiedlichen kulturellen Kontexten, da Aspekte wie die Notwendigkeit einer durchgehenden Kühlkette und die regelmäßige Einnahme problematisch sein können. Es fehle auch an Alternativen zu Kondomen, die sowohl Schwangerschaften als auch sexuell übertragbare Krankheiten verhindern.
Obwohl der Forschungsbedarf groß ist, sind die finanziellen Mittel dafür begrenzt. Der Großteil der weltweiten Investitionen in Entwicklung und Forschung stammt von nur wenigen großen Akteuren, während lediglich drei Prozent von kleinen und mittelgroßen Pharma- und Biotech-Unternehmen kommen. Diese Abhängigkeit wird durch die Rückgänge öffentlicher Mittel weiter verstärkt. So hat die EU ihre Finanzmittel für diesen Bereich von 48 Millionen Euro auf nur noch elf Millionen Euro im Jahr 2022 gekürzt. Von den derzeit 191 in Entwicklung befindlichen Verhütungsmitteln stammen nur 37 aus der EU, davon zehn aus Deutschland. Kreutzberg äußerte die Meinung, dass die Bundesregierung hier in der Verantwortung sei. Er verwies auf die im Jahr 2023 bereitgestellten Gelder des Bundes für die Forschung zu Verhütungsmitteln für alle Geschlechter als ersten positiven Schritt, betonte jedoch, dass die für 2025 geplante Summe von 6,35 Millionen Euro erheblich erhöht werden sollte. Es fehle an einer stabilen, global orientierten Förderung in der mittelfristigen Finanzplanung. Die Situation in Subsahara-Afrika verdeutliche, dass Forschung und Entwicklung von Verhütungsmitteln zu stark am westlichen Markt orientiert seien und die Bedürfnisse des Globalen Südens vernachlässigt würden.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung von Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW)/ Veröffentlicht am 26.09.2024