Hnin Hnin, eine ehemalige Arbeiterin aus Myanmar, die in der thailändischen Royal Knitting Fabrik Kleidung für OTTO-Marken fertigte, berichtete, dass sie und ihre Kolleginnen nach der Schließung der Fabrik im April 2020 von ihrem Arbeitgeber fristlos entlassen wurden. Dies geschah während der COVID-19-Pandemie, und über 90 Prozent der betroffenen Arbeiterinnen waren Frauen aus Myanmar. Der Arbeitgeber verweigerte ihnen zudem den Lohn für die geleistete Arbeit und die Abfindungen. Trotz eines Urteils eines thailändischen Gerichts gegen die Royal Knitting Factory, warten die 209 entlassenen Beschäftigten immer noch auf ihre ausstehenden Zahlungen in Höhe von über 1.000.000 US-Dollar.
Yee, eine weitere ehemalige Näherin, schilderte die dramatischen Folgen der Entlassung. Ihr Leben sei mit der Schließung der Fabrik ruiniert gewesen, und seitdem könne sie mit ihrem Mann nur noch zwei Mahlzeiten am Tag essen. Die Arbeiterinnen wandten sich schließlich an das Unternehmen OTTO, da dieses sich als Vorreiter in Bezug auf Sorgfaltspflichten und die Einhaltung von Menschenrechten positioniert. OTTO hatte jedoch keine Unterstützung für die ehemaligen Mitarbeiterinnen der Royal Knitting Factory angeboten und versagte damit, die eigenen Aussagen zur Verantwortung entlang der Wertschöpfungskette in die Praxis umzusetzen.
Die Clean Clothes Campaign sammelte zahlreiche Aussagen der Arbeiter*innen, die bestätigten, dass sie Kleidung für OTTO-Marken produziert hatten. OTTO jedoch behauptete, dass die Geschäftsbeziehung mit der Royal Knitting Factory bereits 2017 beendet wurde und dass keine Kleidung von dort mehr für OTTO hergestellt wurde. Allerdings legten die ehemaligen Beschäftigten Dokumente vor, wie Packlisten und Produktionsanweisungen, die belegen, dass sie nach 2017 noch für OTTO-Marken produzierten. Zusätzlich konnten sie Etiketten von OTTO-Marken wie Sieh An! und Ambria (Witt) vorweisen, die sie vor ihrer Entlassung auf Kleidungsstücke aufnähte.
Yee berichtete weiter, dass sie und ihr Mann nach der Entlassung schwer verschuldet sind, da sie kaum genug Geld für die Miete und die täglichen Ausgaben aufbringen können. Besonders betroffen sind diejenigen Arbeiterinnen, die Kinder haben. Ein Drittel der entlassenen Arbeiterinnen mit Kindern kämpft mit den Folgen der Entlassung und ist auf Unterstützung angewiesen.
Die Clean Clothes Campaign hatte OTTO mehrfach aufgefordert, Druck auf seine Geschäftspartner auszuüben, um den rechtlichen Anspruch der Arbeiter*innen zu erfüllen. Sollte dies nicht möglich sein, wurde das Unternehmen gebeten, selbst die fälligen Löhne und Abfindungen zu zahlen. Stattdessen reagierte OTTO mit der Drohung, rechtliche Schritte einzuleiten, als die Clean Clothes Campaign im Mai des Vorjahres erste Informationen über den Fall veröffentlichte. Diese Maßnahme führte dazu, dass die ehemaligen Beschäftigten eingeschüchtert wurden und Angst hatten, sich öffentlich zu äußern.
In Reaktion auf diese Entwicklung bereitet die internationale Clean Clothes Campaign nun eine Beschwerde im Rahmen des deutschen Lieferkettengesetzes beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle vor. In der Beschwerde wird dargelegt, dass OTTO seine Verpflichtungen im Bereich der Menschenrechte nicht erfüllt hat, indem es bisher keine Abhilfe für die betroffenen Arbeiter*innen geschaffen hat.
Am 19. Februar wird die Clean Clothes Campaign ein Webinar veranstalten, bei dem betroffene Arbeiter*innen sowie die Partnerorganisation in Thailand, die diesen Fall betreut, zu Wort kommen werden.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung von Clean Clothes Campaign – Kampagne für Saubere Kleidung/ Veröffentlicht am 12.02.2025