Die Altkleider-Lüge

Freitag, 11. Januar 2013

21.15 – 21.45 NDR
Wie Spenden zum Geschäft werden. NDR-Reportage. Von Michael Höft.

Altkleidermarkt in Dar es Salaam, Tansania. Bild: NDR/httv-Produktion/Michael Höft

Der Großteil gespendeter Altkleider wird in Wahrheit weiterverkauft – zum Kilopreis. Die Profiteure sind Unternehmen, die mit Secondhandgarderobe ein knallhartes Geschäft machen. (Bild: NDR/httv-Produktion/Michael Höft)

„Wenn ich abends ins Bett gehe, weiß ich wenigstens, dass ich etwas Gutes getan habe“, sagt stolz ein Mitarbeiter einer deutschen Hilfsorganisation, der die Sammelcontainer mit den Altkleiderspenden leert. „Von hier aus gehen die Sachen direkt in die Katastrophengebiete der Welt“, erzählt er.

Doch was er offensichtlich nicht weiß: Ein Großteil der gespendeten Altkleider wird in Wahrheit weiterverkauft – zum Kilopreis. Die Profiteure sind Unternehmen, die mit Secondhandgarderobe ein knallhartes Geschäft machen. Oft verkaufen Hilfsorganisationen auch nur ihr Logo, ihren guten Namen auf den Containern von Altkleiderfirmen.

Ein Betrug an diejenigen, die glauben, sie tun Gutes für die armen Menschen in der Dritten Welt? Die besten Stücke würden für den Altkleidermarkt in Russland aussortiert, erklärt ein Mitarbeiter, denn dort habe das Geschäft mit gebrauchten Markenwaren Hochkonjunktur. Nur die zweite, dritte oder vierte Wahl der Altkleider gelangt nach Afrika. Das sind immerhin noch 60 Prozent der Kleidung, die in Deutschland für gute Zwecke gespendet wurde.

Doch was passiert dort mit den Altkleidern? Die NDR Autoren Michael Höft und Christian Jentzsch suchen die Antwort in Tansania. Was sie dort erleben, ist schockierend: Nicht nur deutsche Firmen und Hilfsorganisationen verdienen gut an den Kleiderspenden, auch für die meist libanesischstämmigen Händler in Afrika sind Altkleiderspenden ein lukratives Geschäft.

Selbst die Ärmsten der Armen müssen dafür bezahlen. Früher haben viele von ihnen noch in der einheimischen Textilindustrie gearbeitet, aber die ist mittlerweile abgewirtschaftet. Die Billigsachen aus Europa haben die gesamte Bekleidungsindustrie des Landes in den Ruin getrieben. 50 Container mit Altkleidern werden jeden Monat im Hafen von Daressalam angelandet. Das sind 20.000 Tonnen Bekleidung, die dem ostafrikanischen Kleidermarkt jede Chance nehmen. Die einzigen Näherinnen, die noch Arbeit haben, sind jene, die die Größen der XXL-Hosen aus Europa und Amerika auf die Konfektionsmaße der hungernden afrikanischen Bevölkerung umändern.

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